Bevor wir hier einsteigen wünschte ich mir, ein passendes Titelbild zu den nachfolgenden Worten präsentieren zu können. Leider geht das nicht. Vordergründig zum Eigenschutz und simpel, weil wir Niemanden vorführen wollen.
An dieser Stelle also nur Impressionen von Markus, mir & unseren Hunden.
Nun viel Spass beim Lesen:
Wir leben seit vier Jahren nördlich des Polarkreises in Ivalo, Finnland. Vor zwei Tagen habe ich unsere Heimat zum ersten Mal aus der Luft betrachtet. Wir waren im Landeanflug auf Ivalo und hatten 2 Nächte in Helsinki hinter uns. Grosstadt-Leben Crashkurs, nachdem ich fast vergessen hatte wie das geht. Ein Nachteil, wenn man als Ausländer soweit abseits jedweder Behörden wohnt, ist die Notwendigkeit der persönlichen Anwesenheit zur Passbeantragung. Die deutsche Botschaft in Finnland liegt 1200 Km von uns entfernt. Da wir noch immer voll in der Wintersaison stecken und mit Kleinkind dorthin mussten, blieb uns in diesem Fall nur die Option des Fliegens. Ich fand es nicht toll, aber es ist die Realität. (An dieser Stelle, ein riesen Dankeschön an unsere Freund Ben & Chiara, für das Taxi zur Botschaft. Wir würden noch heute durch die quadratischen Strassenirrungen Helsinkis wandeln ohne euren Einsatz)
36 Stunden später setzen die winzigen Räder des riesigen Metallvogels auf der asphaltierten und von Schnee befreiten Landebahn Ivalos auf. Zum ersten Mal fühle ich mich wie die Gäste, die wir jede Woche hier auf der anderen Seite der Kontrolltür begrüßen dürfen. Die Flügeltüren des Ungetüms öffnen sich direkt in die freie Winternatur des Nordens. Ivalo ist klein und wir steigen unmittelbar aufs Rollfeld, um die wenigen Meter zur Flughalle zu Fuss zurückzulegen. Eine sehr angenehme Flugbegleiterin erinnert mich vor dem Aussteigen, meinen Parker überzuziehen. Um diese Zeit sei es hier oben immer recht kalt. Ich nicke freundlich und bedanke mich. Ein paar Schritte in der Frühlingswintersonne des Nordens, ein paar tiefe Atemzüge und die Gerüche und Geräusche der Großstadt schmelzen aus meinem System. Zurück als Erinnerung bleiben nur die seltsamen Schmerzen im Schienbein vom Laufen auf asphaltierten Wegen.
Martin, unser Winter-Mitarbeiter, holt uns vom Flughafen ab. Wir haben kaum eine Minute mit dem Auto zurück gelegt, Martin & Markus diskutieren auf den vorderen Sitzen die aktuelle Wetterlage und Aaro – völlig übersättigt von allen Sinneseindrücke – brabbelt zufrieden in seinem Kindersitz, da klingelt mein Telefon. Routiniert nehme ich den Anruf entgegen, eine schwedische Nummer. Der Anrufer wisse, dass dies jetzt aus heiterem Himmel komme und das wir auch noch keine Auskunft geben müssen, aber er hat hier zwei Beschlagnahmungsfälle auf dem Tisch liegen.
Mein Gehirn sortiert wenige Sekunden, bis ich realisiere dass dies keine Urlaubsanfrage werden wird. „Worum geht es denn?“, höre ich mich automatisch in den Hörer sprechen, während meine freie Hand den Papiermantel von Aaros Müsliriegel entfernt.
Es folgt eine Erklärung über zwei Beschlagnahmungen von Hunden. Eine aus Norwegen, eine Rennfarm, noch keine bestimmten Informationen aber ca. 15 Hunde, evt. folgen bald mehr Details. Die zweite aus Schweden, eine stillgelegte Touristenfarm von einem Schweizer Auswanderer. Viele Hunde suchen ein Zuhause. Noch nicht ganz klar, ob als Pflegestelle oder für-Immer oder ob sie nicht vielleicht doch wieder beim Besitzer landen. Er rufe im Auftrag des zuständigen Veterinärdienstes an. Ich brumme zustimmend und nicke, wohl wissend dass mein Gesprächspartner das nicht sehen kann. Ja, die Skandalfarm aus Schweden ist zur Zeit in aller schweizer Munde.
Wir sind fast zuhause angekommen, Aaro quängelt. Ich bedanke mich für den Anruf und verweise darauf, dass wir aktuell keine Hunde aufnehmen können wir uns aber sehr gerne mit den Fällen auseinandersetzen um zu sehen, was wir tun können. Ich bitte ihn, mir eine E-Mail zu senden mit allen Informationen und verabschiede mich.
Zum ersten Mal stießen Markus & ich auf die Hunde dieser "Skandalfarm" in 2018. Noch vor unserer Auswanderung nach Finnland. Damals wurden bereits vom Schweizer Veterinäramt 30 Tiere beschlagnahmt und mit Hilfe des Militärs provisorisch untergebracht. Wir fuhren 3 Stunden durch die Schweiz, um uns die Hunde anzusehen, konnten damals aber keinen aufnehmen. Aus der Ferne verfolgten wir den Werdegang. Kurz nach der Beschlagnahmung wanderte der Besitzer nach Schweden aus und eröffnete seine Farm. Wir hatten keinen Kontakt, haben von einigen Bekannten aus der Szene nur immer wieder Horrorgeschichte über die Haltung vernommen. Erst viele Jahre später, vergangenen Sommer, waren wir selber vor Ort. Wir kamen zufällig während unseres Sommerurlaubes in die Nähe der Farm und entschieden uns vorbei zu gehen. Als Touristen. Wir waren nur kurz dort – unter einer Stunde – zu kurz um einen wirklichen Eindruck zu bekommen oder irgendeine Aussage über den Umgang des Besitzers mit den Hunden treffen zu können. Ja, es war nicht schön und ja: die Anlage und Hundehaltung ist auf jeden Fall verbesserungswürdig. Und wir denken – aus der Ferne beurteilt – nach all den Skandalen und Widersprüchlichkeiten in die sich dieser Mensch mit seinen Hunden verstrickt hat, dass es sicher das Beste ist, wenn die Hunde ein neues und artgerechteres Zuhause finden.
Mir bleibt an dieser Stelle jedoch Eines zu betonen: von den Fällen, die uns in den letzten 4 Jahren hier oben begegnet sind, ist diese „Skandalfarm“ in Schweden die mit Abstand Beste. Dennoch sind dort jetzt auch viele Hundeseelen, die auf ein neues Zuhause warten. Plus die 15 Rennhunde aus Norwegen.
Dieser Anruf auf dem Weg vom Flughafen nach Hause, war der vierte in der Woche.
1 aus Südfinnland: ebenfalls mit der Anfrage über Hundeaufnahme von der Farm in Schweden.
1 aus unmittelbarer Nachbarschaft: Privathund abzugeben. Husky-Mischling, nicht mehr tragbar.
1 aus Nordfinnland: eine ehemalige Kollegin fragt, ob wir einen Hund aus einer Touristenfarm übernehmen möchten, der sonst eingeschläfert wird. Aufgrund einer Futtermittelallergie.
Ich schüttle meinen Kopf im Versuch die Gedanken raus zu befördern. Im Ernst, das ist nur die Spitze des Eisberges an dem wir kratzen. Und wir veröffentlichen hier auch nur Dinge, die keine Gefährdung darstellen. Für uns oder die Hunde oder beteiligte Personen. Es ist Ende März, wir haben noch zwei Gästewochen vor uns, danach ist die Wintersaison beendet. Doch neben unserem Hauptgeschäft, mit dem wir unser Geld verdienen, drängt sich das zweite Geschäft mehr und mehr in den Vordergrund. Hier ein kleiner, so gut es geht detaillierter Einblick in die Fälle & Geschichten, die uns in dieser Winter-Saison begegnet sind.
Was uns in dieser Wintersaison sonst noch begegnet ist: (Nur der offizielle Part)
Zu Beginn des Herbst-Trainings im September 23 erhielten wir die Anfrage einer Bekannten: 6 Hunde einer grossen lokalen Touristenfarm mussten schnell vermittelt werden, da sie sonst erschossen* werden. Grund: besagte Hunde haben kein gutes Fell. Nicht gut genug, um die nordfinnischen Winter zu überstehen. Das zuständige Veterinäramt hat beauftragt, dass die Hütten isoliert werden müssen. Zu viel Aufwand für den Besitzer, der sich fleissig dicke Kohle einstreicht durch die Ausbeutung von über 200 Hundeseelen. Die Mitarbeiterin hat einen Monat bekommen, um die Hunde zu vermitteln. Ansonsten werden sie getötet. Wir haben versucht alle Hebel in Gang zu setzen, die wir konnten. Denn für uns gab es in dem Moment keine Möglichkeit 6 aktive Hunde in unser Rudel zu integrieren. Wenige Stunden nachdem ich einen anonymen Aufruf über Social Media gemacht habe, wurden wir angerufen und aufgefordert diese Meldung sofort runter zu nehmen. Ansonsten würde man die Hunde direkt erschiessen. Klar, die Hunde ohne zu zögern zu töten, wenn sie Mehraufwand bedeuten ist kein Problem. Aber wehe jemand findet das offiziell heraus. Wir haben den Eintrag gelöscht und privat weitergesucht. Leider nicht schnell genug.
(*Anmerkung: In Finnland ist es gesetzlich erlaubt seine Tiere ohne medizinischen Grund selbst zu töten oder einschläfern zu lassen )
Im Dezember stolperten wir – aufmerksam gemacht durch Gäste – über ein Angebot einer grossen Farm weiter südlich. Eine Farm, die offizielles Kuscheln & Umarmen der Hunde verkauft. Direkt im Eingangsbereich findet man einen Hund angebunden, dessen Aufgabe es zu sein scheint die Besucher zu begrüssen. Natürlich artgerecht an einer Oberleine, damit sich das Tier vorzugsweise in grösseren Kreisen von links nach rechts bewegen kann. Nennen wir ihn Robin. Robin ist ein typischer Siberischer Husky, der seine einsamen Kreise an der Oberleine zieht. Nicht offensichtlich gestresst oder panisch aber offensichtlich genervt und vermeidend gegenüber den hunderten von Händen die ihn täglich im vorbei gehen berühren, die lustig seinen Namen rufen und lautstark mit schreienden Kindern daneben Selfies machen. Der Hund bemüht lieb zu sein: denn den Göttern sei Dank sind Hunde des Menschen bester Freund. Aber auf jedem Video zog es meine Eingeweide zusammen, so klar war zu erkennen dass Robin auf all das keinen Bock hat. Und auch keine Rückzugsmöglichkeit ersichtlich war. Doch: ohne vor Ort gewesen zu sein wollen wir das nicht beurteilen. Drum werde ich Ende der Saison mal hinfahren und nachschauen wie es um Robin wirklich steht. Vielleicht buche ich dann auch gleich das absolut verlockende Angebot einer Gespannfahrt mit dem Hundeschlitten für eine Distanz von 500 Metern. Keine Voranmeldung nötig, non-stop starting time wird geworben, 2 Minuten Fahrtzeit. Wow. Unfassbar. Klar, non-stop im Kreis, wie Ponykarusell aufm Jahrmarkt. Jederzeit verfügbar.
Einige Wochen später hatten wir Gäste für eine Rudelführung bei uns, die vollkommen perplex in das Gehege starrten und uns fragten, warum unsere Hunde zusammen leben können. Wir wiederum starrten perplex zurück mit der Gegenfrage, warum sie es nicht sollten? Daraufhin zeigten uns die Gäste Videoaufnahmen von einer Farm, 20 Minuten entfernt, bei der sie den Tag zuvor eine 10-minütige Schlittenfahrt unternommen hatten. Während der Fahrt brach innerhalb ihres Gespannes dreimal eine Beisserei unter den Hunden aus und der Guide, welcher mit Schneemobil vorne weg donnerte erklärte beschwörend dass Huskies, wie man eben grade so schön gesehen hat, viel zu aggressiv sind und sich tot beissen würden. Deswegen leben sie bei ihnen an der Kette. Denn immerhin wird hier aufs Tierwohl geachtet.
Der Winter verlief weiter und irgendwann erhielten wir eine Anfrage einer Doghandlerin (welche über den Winter in Ivalo auf einer anderen Farm arbeitete), ob sie Stroh abholen könnte für ihre Hunde. Klar, kein Problem. Sie kam, wir lernten uns kurz kennen und 30 Minuten später war mein Handy schwerer mit Video- und Fotoaufnahmen von absoluter Tierverwahrlosung. Humpelnde, nicht ziehen wollende Tiere vor dem Schlitten, die sich weigerten eingespannt zu werden. Blutiger Durchfall, durchsetzt mit Würmern, bis auf die Knochen abgemagerte Hunde und kraftlose, erschöpfte Tiere, die nicht mehr von alleine aufstehen konnten. Verängstigte und panische Tiere, die gezwungen wurden vor dem Schlitten zu laufen. Mir wurde übel. Mit dem Bildmaterial habe ich mich an die örtlichen Tierärzte gewandt. Sie sagten, sie würden es kontrollieren. Ein paar Wochen später berichtet ein anderer langjähriger Musher aus Ivalo davon, wie schlimm die Zustände auf jener angeprangerter Farm sind. Aber was soll man machen? Wir wollten gerne einen der Hunde aus den Videoaufnahmen zu uns holen, doch als die Doghandlerin wenige Tage später noch einmal zu der Farm zurück ging – denn sie hatte bereits fristlos gekündigt um keine Teilhabe mehr an dem Tierleid zu leisten – war der Hund nicht mehr da. Zum Verbleib wollte Niemand Auskunft geben.
Fast zeitgleich fand in Schweden eine Vet.kontrolle statt bei einem großen Tourismusanbieter. Wir wissen Nichts genaues, hatten wieder mehrere Anfragen auf dem Tisch aber keinerlei Kapazitäten. Wir konnten Nichts tun außer versuchen aus der Ferne zu vermitteln. Ein paar der Hunde suchen noch immer ein Zuhause. Sie haben bis Ende April Zeit. Danach... nunja.
Wenig später hatten wir wieder Gäste, die zuvor bei einer anderen Farm in der Nähe um Ivalo waren. Dort erzählte der Musher voller Stolz, dass nicht gewollte Hunde erschossen werden. Und er somit den Bestand natürlich halte und allen Hunden gerecht werden kann. Ich wünschte, wir hätten mehr Gesichtsmuskeln, um unserem - immer wieder neuen - Staunen Ausdruck zu verleihen.
Etwas Gutes zwischendurch: wir haben Kontakt zu anderen Farmen aufgenommen im Versuch ein (in Finnland) geltendes Label aufzubauen. Um Grundanforderungen über Hundehaltung und Nutzung der Tiere im Tourismus einzuführen. Nach einigen Wochen war klar: das wird Nichts. Nicht mal die guten Farmen können sich auf gemeinsame Standards einigen, was absolut keine Grundlage für ein seriöses Label mit entsprechender Kontrolle bietet. Also haben wir 10 von 11 Anforderungen aus dem Katalog gestrichen. Und uns auf Eines geeinigt. Eines, was ganz unten ansetzt. Aber evt. die Dringlichkeit von Aufklärung in dieser Ausbeutungsindustrie sichtbar macht: NO KILL. Ein Label, dass deutliche Distanz zum (in Finnland) frei und wahllos erlaubten Töten von Lebewesen setzt. Ein Zeichen, ein Anfang, eine Abgrenzung und vielleicht setzt es beim nächsten Gast das ein oder andere Fragezeichen wenn sie eine Farm besuchen, die dieses Label eben nicht hat. Man darf bei all dem nie vergessen, dass die Tiere benutzt werden um Geld zu verdienen. Es ist ein aktives Geschäftsmodell. Und die Hunde werden gehandelt wie Ware.
Ein persönliches Negativ-Highlight habe ich noch vergessen: Ende Februar bin ich dann auf eine Farm aufmerksam geworden, die in Norwegen mit Tierwohl wirbt. Animal Welfare and High Dog-Care Standarts. Das hat mich doch aufhorchen lassen. Dort leben die Hunde zu zweit an der Kette, anstatt alleine. Um ihren (wie sie es im O-Ton veröffentlicht haben) stark ausgeprägten Sozialtrieben gerecht zu werden. Und sie erklären leidenschaftlich (und ich glaube in ihrem Sinne auch voller Überzeugung), dass sie eine große Verantwortung für 300 Hunde tragen. Und dass sie dieser Verantwortung eben nicht gerecht werden können, wenn sie die Hunde frei rumlaufen lassen. Dann würde es nur tote und verletzte Tiere geben oder wahllos Welpen.
… Ich weiß nicht, wo ich da anfangen soll zu erklären.
Wenn die Kette die einzige Haltungsform ist, die dir für 300 Hunde einfällt, dann hab verflucht nochmal KEINE 300 HUNDE !!!!
Weiterhin erzählen sie stolz, dass es zwar noch die Option gäbe, ihre Hunde in Zwingern mit Ausläufen zu halten aber dann würden sie (OBACHT !), denn dann würden sie viel weniger Aufmerksamkeit von den Gästen bekommen. Weil diese dann nicht ungehindert (wie bei der Kettenhaltung) zu den einzelnen Tieren hingehen können.
Wie falsch, kann man sich Dinge bitte schön reden?
Und zum Abschluss: unsere aktuellen Gäste berichten von einem Schweizer Achtsamkeits- und Atemtrainingsseminar, welches nächstes Jahr in Ivalo stattfinden wird. Tolle Idee, tolles Konzept. Als Teil dieses Seminars wird ein Rahmenprogramm geboten. Natürlich auch auf einer Husky-Farm mit passendem Schlittenerlebnis. Nun, dreimal dürft ihr raten wer von dem Achtsamkeitsseminar ausgeschlossen wird? Die Achtsamkeit endet nicht bei uns Menschen. Wenn wir konsumieren, sollten wir immer auch bedenken, welchen Preis andere Lebewesen für unseren Konsum zahlen. Also eine Bitte am Schluss: kauft und konsumiert nicht blind irgendwelche Husky-Fahrten und bitte lasst euch Nichts von irgendwelchen Guides einreden, ohne einfach mal nachzufragen.
Die Meisten sind vielleicht in ihrer ersten Saison im Norden und haben genauso viel Hundeerfahrung wie die Gäste selbst.
Das waren einige Eindrücke der Dinge, die uns im normalen Alltag immer wieder begegnen (Neben unserer eigentlichen Hauptarbeit). Und manchmal fehlt uns der Puffer, all das zu sortieren und abzuheften. Natürlich hätten wir gern alle Hunde aufgenommen. Natürlich geht das nicht. Natürlich wäre das absolut verantwortungslos, wo doch unser Chaoshaufen hier täglich für Herausforderungen sorgt. Wir haben 36 Hunde. Bei uns ist auch nicht immer alles schön und bunt. Bei uns ist es manchmal ziemlich schwarz. Auch wir haben Beissereien und auch wir haben (vor Allem da die meisten der Tiere Second-Hand mit entsprechender Vorgeschichte und Charakter sind) kleine und grosse Baustellen, an denen wir mit den Hunden arbeiten müssen. Vor Allem jetzt, am Ende der Saison, da unsere Kräfte schwinden und wir immer leichter reizbar sind, spiegeln uns die Hunde perfekt.
Dennoch bleibt: Wir hätten gerne den sinnlosen Tot all dieser Hunde verhindert. Und was bereits im letzten Sommer als Idee geboren wurde, wird momentan immer konkreter: wir wollen einen Lebenshof für Schlittenhunde eröffnen, mit verantwortungsbewusstem Adoptions- und Vermittlungsprogramm. Weiterhin werden wir das NO KILL Label ausbauen. Doch zu Beiden Dingen mehr im nächsten Bericht. Jetzt stehen uns noch zwei grandiose Gästewochen bevor und dann kehrt etwas Ruhe ein im Camp. Genug Zeit um weiter zu planen.
Und für Alle, die zu uns kommen im nächsten Winter: achtet auf die wundervollen Reklametafeln am Flughafen Ivalo. Dort sind Huskygespanne in malerischer Winterlandschaft abgebildet und treue blaue Augen starren in Übergrösse auf die ankommenden Gäste des Flughafens.
Da ich zum ersten Mal nach Ivalo geflogen bin, sind mir diese Plakate auch erst vor drei Tagen aufgefallen. In riesigen Lettern steht dort geschrieben:
WELCOME TO LAPLAND.
HUSKY-RIDE: LOWEST PRICE ! Animal-Care
Zwei Plakate, von den zwei grössten Anbietern der Region, die nichts Anderes leisten als Massenabhandlung mit den Hunden.
Wie also sollen Gäste den Unterschied machen, wie sollen sie hinter die Kulissen blicken?
Es ist ein über Jahrzehnte aufgebautes Marketing und es wird Zeit diese Mauern einzureissen, um herunterzubrechen worum es wirklich geht. Ein Geschäft mit Hunden. Geld verdienen durch das Anbieten von Schlittentouren. Die Hunde sind nur eine Nummer in der Bilanz. Und was mehr kostet als einnimmt, wird entsorgt. Es gibt gute Unternehmen, mit Verantwortung gegenüber Angestellten und Tieren. Menschen, die dieses Lebensgefühl Anderen näher bringen wollen. Es gibt grosse Farmen (wenige aber es gibt sie), die sich toll um die Hunde kümmern und sie trainieren, um ihnen ein Leben ausserhalb des Tourismus zu ermöglichen. Aber das ist leider die Aussnahme. Und das sollte uns Allen bewusst sein:
guter, qualitativ hochwertiger Tourismus mit Schlittenhunden ist die Aussnahme!
(wir haben Freunde und Bekannte die wir sofort und immer weiter empfehlen. Die Meisten von ihnen betreiben kleine Farmen/ Höfe und arbeiten mit den Tieren aus der Leidenschaft heraus, Musher zu sein. Wovon ich hier rede ist der Massentourismus, die Firmen die die grossen Zahlen schreiben und aktiv an der Hundeausbeutung verdienen. So gut, dass es den meisten Menschen beim ersten Mal in Lappland, überhaupt nicht auffällt. Finnland und Norwegen sind da leider weit hinter Schweden im Tierschutzgesetz) Denn was bleibt am Ende?: eine Husky-Farm arbeitet mit Hunden.
Es sind Hunde. Unsere besten Freunde. Die treuen Alltagsbegleiter so vieler Menschen. Ja, Schlittenhunde haben ein paar andere Bedürfnisse als andere Rassen. Aber von ihrem Verhalten, dem Wunsch nach Zugehörigkeit zum Menschen, ihrem Wunsch nach Anschluss und Alltagsleben unterscheiden sie sich NULL vom Dalmatiner, dem Schäferhund oder Labrador. Es sind Hunde. Schlicht und einfach. Bitte bedenkt das, wenn ihr einmal solche Tour bucht.
Es. Sind. Hunde !
Und arbeiten mit ihnen sollten nur Menschen, die sich auch tatsächlich mit Hunden auskennen. Leider gibt es keine Regeln hier oben. Keinen Sachkundenachweis den man bringen muss, keine Ausbildung die es zu absolvieren gilt. Wir haben uns unser Wissen über Fachliteratur, online Seminare, andere Musher, Fortbildungen angeeignet. Und vor Allem durch ein Eingehen auf unsere Tiere. Durch Gefühl und Verstand. Und echtem Interesse am Tier. Erste-Hilfe am Hunde leisten zu können ist ebenso wichtig, wie die Einschätzung von Körpersprache, Charakter und Verhaltensweise. Und erst danach kommt die Auseinandersetzung mit dem Sporthund. Mit der Arbeitsseite. Zu allererst steht immer das Tier, der Hund, an sich.
Wenn man davon ausgeht, sind die Hälfte aller Mythen, die um die Haltungsform und das Wesen von Schlittenhunden aufgebaut werden, vollkommen haltlos.
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